Grundsätze

für Maßnahmen zur Förderung der Mundgesundheit im Rahmen der Gruppenprophylaxe nach § 21 SGB V

Stand 20.06.2000

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Die Krankenkassen haben im Zusammenwirken mit den Zahnärzten und den für die Zahngesundheitspflege in den Ländern zuständigen Stellen, unbeschadet der Aufgaben anderer, gemeinsam und einheitlich Maßnahmen zur Erkennung und Verhütung von Zahnerkrankungen ihrer Versicherten, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zu fördern und sich an den Kosten der Durchführung zu beteiligen.

Sie haben auf flächendeckende Maßnahmen hinzuwirken. In Schulen und Behinderteneinrichtungen, in denen das durchschnittliche Kariesrisiko der Schüler überproportional hoch ist, werden die Maßnahmen bis zum 16. Lebensjahr durchgeführt.

Diese Maßnahmen sollen vorrangig in Gruppen, insbesondere in Kindergärten und Schulen, durchgeführt werden. Sie sollen sich insbesondere auf die Untersuchung der Mundhöhle, Erhebung des Zahnstatus, Zahnschmelzhärtung, Ernährungsberatung und Mundhygiene erstrecken. Für Kinder mit besonders hohem Kariesrisiko sind spezifische Programme zu entwickeln (§ 21 Abs. 1 SGB V).

Sie erstrecken sich insbesondere auf:

  • Inspektion der Mundhöhle mit Erhebung des Zahnstatus zur Kariesrisikozuordnung nach einheitlichen Standards (s. Anlage)
  • Verweisung in zahnärztliche Behandlung zur Beseitigung vorhandener Zahnschäden. Fissurenversiegelung bei gegebener Indikation
  • Verbesserung des Mundhygiene-Verhaltens
  • Verbesserung der Zahnschmelzqualität durch Fluoride
  • Ernährungsberatung
  • Motivation zur regelmäßigen zahnärztlichen Untersuchung
  • Durchführung spezifischer altersgerechter Programme zur kollektiven und individuellen Betreuung von Kindern mit besonders hohem Kariesrisiko
  • Erkennung und Aufklärung zur Vermeidung von (früh-)kindlichen Fehlentwicklungen im Zahn-, Mund- und Kieferbereich

Die Organisation, die personelle und die finanzielle Sicherstellung der erforderlichen Maßnahmen sind zwischen den Beteiligten auf Landes- bzw. örtlicher Ebene zu regeln.

Die Maßnahmen der Gruppenprophylaxe sind mit den Aufgaben anderer Stellen (z.B. im Rahmen der Jugendzahnpflege der Länder) zu koordinieren.

Die Maßnahmen sollen unter Leitung eines fachkompetenten Zahnarztes und koordiniert von den Landes- oder Kreisarbeitsgemeinschaften nach folgendem Programm durchgeführt werden:

  • Inspektion der Mundhöhle und Erhebung des Zahnstatus zur Kariesrisikozuordnung nach einheitlichen Standards sowie Erkennung von (früh-)kindlichen Fehlentwicklungen im Zahn-, Mund- und Kieferbereich, und, wenn erforderlich, Verweisung in zahnärztliche Behandlung, bzw. Vornahme der Fissurenversiegelung. Die Untersuchungen werden zweckmäßigerweise in Form von Reihenuntersuchungen in Kindergärten, Schulen, ggf. in mobilen Untersuchungsstationen, Zahnarztpraxen oder den Behandlungsräumen der Zahnärztlichen Dienste stattfinden.
  • Regelmäßiges Demonstrieren und Üben einer effektiven altersgerechten Mundhygiene
  • Kontrollierte Ausgabe von Fluoridtabletten nach zahnärztlichen/ärztlichen Weisungen oder Anwendung lokal wirksamer Fluoridpräparate (Lack, Gelee usw.) unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort (Fluoridkonzentration im Trinkwasser, Alter der Kinder usw.) und Motivation zu eigenverantwortlicher Kariesprophylaxe durch Fluoride (u.a. fluoridierte Zahnpasten und fluoridiertes Jodspeisesalz)
  • Ernährungsberatung und Anregung zur gemeinschaftlichen Zubereitung von Mahlzeiten
  • Durchführung von spezifischen altersgerechten Programmen zur kollektiven und individuellen Betreuung von Kindern mit besonders hohem Kariesrisiko
  • Motivation zum regelmäßigen Zahnarztbesuch
  • Informationsveranstaltungen für ErzieherInnen, Lehrpersonen und Eltern
  • Ausgabe von Informations- und Aufklärungsmaterial

Diese Maßnahmen sollen ergänzt werden (Beispiele) durch

  • Besuch eines Zahnarztes in seiner Praxis oder den Behandlungsräumen des Zahnärztlichen Dienstes
  • Rollenspiele
  • Informationsveranstaltungen für Eltern
  • Klassenwettbewerbe zum Thema zahnmedizinische Prophylaxe

Neben den gruppenprophylaktischen Maßnahmen, die die Kinder in Kindergärten und Schulen erreichen, sind entsprechende Maßnahmen zur Förderung der Mundgesundheit für folgende Personengruppen erforderlich:

  • Kinder im Vorkindergartenalter
  • Kinder die keinen Kindergarten besuchen
  • Schulkinder, die noch an keiner gruppenprophylaktischen Maßnahme teilgenommen haben
  • Jugendliche bis zum 16. Lebensjahr aus Schulen und Behinderteneinrichtungen, in denen das durchschnittliche Kariesrisiko überproportional hoch ist, in deren Einrichtung keine gruppenprophylaktischen Maßnahmen angeboten werden

Auf vorhandenen Initiativen sollte aufgebaut werden.

Bei der Organisation der Gruppenprophylaxe auf regionaler Ebene sollten diese Kinder und Jugendlichen berücksichtigt werden. Dazu bieten sich folgende Maßnahmen an:

  • spezielle Veranstaltungen (z.B. im Zahnärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes oder in Stadtteilzentren)
  • Aufklärungsaktionen (z.B. durch Faltblätter oder Pressemitteilungen)

Eine Versorgung mit Fluoriden nach ausführlicher Information sollte durch Kinder-, Haus- oder Zahnärzte in Form der Einzelverordnung sichergestellt werden, bzw. durch kontrollierte Abgabe im Rahmen der Gruppenprophylaxe.

Für behinderte Kinder sind erforderlichenfalls Intensivmaßnahmen vorzusehen (z.B. spezielle Unterweisung von Betreuern und Angehörigen).

In Übereinstimmung mit dem Gesetzgeber sind gruppenprophylaktische Maßnahmen in Behinderteneinrichtungen, in denen behinderte Jugendliche betreut werden, bis zum 16. Lebensjahr zu erstrecken.

Außerdem ist auf bereits bestehende besondere Behandlungsmöglichkeiten hinzuweisen, ggf. sind solche Behandlungsmöglichkeiten zu schaffen.

Im Rahmen der Schwangerenvorsorge, Mütterberatung u.a. sollten (werdende) Mütter über kariesprophylaktische Maßnahmen informiert werden. Für diese Zielgruppe sollte den Gesundheitsämtern, den Zahnärzten und Ärzten (insbesondere den Gynäkologen), Krankenkassen und anderen spezielles Aufklärungsmaterial zur Verfügung gestellt werden.

Die durchgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren und auszuwerten, damit der Umsetzungsgrad, sowie, im Zusammenhang mit der Erfolgskontrolle, die Wirksamkeit überprüfbar sind und bestehende Schwierigkeiten erkennbar werden.

Die Dokumentation erfolgt nicht personenbezogen.

Das in der Gruppenprophylaxe tätige Personal muss über Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen, die für die Durchführung der Tätigkeiten sachlich erforderlich sind. Hierzu sollte das Personal speziell auf die Erfordernisse der Gruppenprophylaxe zugeschnittene Fortbildungskurse und praktische Unterweisungen bzw. Hospitationen absolvieren.

Bestimmung von Kindern mit hohem Kariesrisiko im Rahmen der gruppenprophylaktischen Reihenuntersuchungen
Definition von Risikogruppen in Altersdifferenzierung

Alter bis:

3 Jahre:

nicht kariesfrei, dmf(t) > 0

4 Jahre:

dmf(t) > 2

5 Jahre:

dmf(t) > 4

6 – 7 Jahre:

dmf/DMF(t/T) > 5 oder D(T) > 0

8 – 9 Jahre:

dmf/DMF(t/T) > 7 oder D(T) > 2

10 – 12 Jahre:

DMF(S) an Approximal-/Glattflächen > 0

Auswahlkriterien für Schulen und Behinderteneinrichtungen, in denen eine Intensivbetreuung gemäß § 21 SGB V stattfinden soll.
  1. Zur Auswahl von Schulen und Behinderteneinrichtungen mit einem erhöhten durchschnittlichen Kariesrisiko sollten keine absoluten DMF-Werte festgelegt werden.
  2. Wenn keine kariesepidemiologischen Daten vorliegen, sollten die für die Intensivbetreuung auszuwählenden Schulen / Einrichtungen auf regionaler Ebene nach sozialen Kriterien festgelegt werden.
    Dabei kann auch eine Auswahl nach Schultypen (z. B. nach Haupt- und Sonderschulen) vorgenommen werden, sofern diese Differenzierung in dem jeweiligen Bundesland möglich ist.
  3. Wenn kariesepidemiologische Daten aus Reihenuntersuchungen verfügbar sind, dann sollten diese auch für eine gruppenbezogene Risikoeinschätzung genutzt werden. Alternativ bieten sich dafür an:
    1. ein „DMF-T Ranking“, bei dem je nach verfügbaren Ressourcen ein bestimmter Prozentsatz (10 – 15 %) der Einrichtungen / Schulen mit den höchsten (altersbezogenen) DMF-Mittelwerten ausgewählt wird;
    2. eine Auswahl nach den niedrigsten Anteilen primär gesunder Gebisse , da in einigen Regionen keine DMF-Werte, dafür aber die Anteile primär gesunder, behandlungsbedürftiger und sanierter Gebisse erfasst werden.